Wunderwerk der Technik: Schwebefähre 2.0
Das Herzstück der Rendsburger Hochbrücke kehrt zurück: Seit März 2022 nimmt die einzigartige Schwebefähre erneut Fahrt über den Nord-Ostsee-Kanal auf. Im Januar 2016 wurde das ungewöhnliche Transportmittel bei der Kollision mit einem Frachter irreparabel beschädigt, sodass der Betrieb eingestellt wurde. Die Konstruktion einer neuen Fähre war eine Herausforderung. Das Pendant sollte optisch dem Original ähneln, gleichzeitig aber mit moderner Technik für die Energie- und Datenübertragung ausgestattet sein. Dieser Aufgabe widmete sich die Paul VAHLE GmbH & Co. KG. Der Kamener Systemanbieter für mobile Industrieanwendungen hat der Schwebefähre ein technisches Update verpasst.
Weltweit gibt es nur acht Schwebefähren. Eine davon befindet sich in Schleswig-Holstein, befestigt unterhalb der historischen Eisenbahnbrücke, die Rendsburg nördlich des Kanals mit Osterrönfeld im Süden verbindet. Und genau das macht die Rendsburger Schwebefähre so einzigartig. Erstmals im Jahr 1913 in Betrieb genommen, überquerte das alte Modell über 100 Jahre lang den Kanal. Die neue Schwebefähre setzt diese Tradition nun fort – dank der Paul VAHLE GmbH & Co. KG, die dem Wahrzeichen neues Leben eingehaucht hat. Für Pendler und Touristen, die während des Betriebsausfalls große Umwege in Kauf nehmen mussten, geht es nach knapp sechsjährigem Stillstand nun wieder mit der Schwebefähre auf direkter Strecke über den Kanal.
Hoch hinaus mit VAHLE Technik
Die Schwebefähre befördert Fußgänger, Rad- und Autofahrer über den Nord-Ostsee-Kanal. Auch wenn sie ein Wunderwerk der Technik ist, schwebt die Fähre natürlich nicht. Stattdessen hängt sie an zwölf Stahlseilen unter dem Brückenträger. Dafür hat VAHLE an beiden Seiten der Brücke jeweils 135 Meter lange, 5-polige U35-Stromschienen mit einem Leiterquerschnitt von 200 Quadratmillimetern installiert, die vier 30-Kilowatt-Elektromotoren mit Energie versorgen.
„Die Montage war extrem herausfordernd, da wir nachts unter einer Gleisvollsperrung arbeiten mussten“, sagt Achim Dries, Geschäftsführer bei der Paul Vahle GmbH & Co. KG. Mit einem Gleisbagger wurde das tonnenschwere Material auf der Brücke verteilt und über ein verfahrbares Gerüst angebracht – in 50 Metern Höhe. „Das war keine leichte Aufgabe für unsere Monteure. Wer Höhenangst hat, war hier fehl am Platz“, lacht Dries. Damit die Fähre auch im Winter ohne Störungen „schweben“ kann, hat VAHLE die Stromschienen mit zusätzlichen Heizleitern ausgerüstet.
Videoüberwachung und Predictive Maintenance für reibungslosen Fährbetrieb
Um folgeschweren Unfällen wie im Jahr 2016 künftig vorzubeugen, bietet die Fähre mehr Sicherheit für Personal und Passagiere. Dafür hat VAHLE das Datenkommunikationssystem SMGX verbaut, das eine durchgehende Videoüberwachung gewährleistet. „Je komplexer die mobile Transportanwendung, desto höher die Datenrate. Unser System ist speziell für eine störungssichere Datenübertragung entwickelt und ist mit unseren bewährten Schleifleitungssystemen wie der U35 kompatibel“, erklärt Dries.
Bei einem Stromausfall wird die Anlage über ein Notstromaggregat versorgt. Auch die Wartung der Transportanlage gestaltet sich einfacher als früher: Zum Beispiel zeigen Verschleißtester rechtzeitig an, wann die Schleifkohlen ausgetauscht werden müssen. Dadurch wird ein ungewollter Stillstand des Fährbetriebs verhindert.
Auf dem neusten Stand der Technik
Pro Fahrt können bis zu 100 Personen und vier Autos mitgenommen werden. Die Schwebefahre ist mit etwa 5 Stundenkilometer unterwegs und braucht 1,5 Minuten für die rund 130 Meter lange Strecke. Im 15-Minuten-Takt pendelt sie auch bei niedrigem Wasserstand, Eisgang oder stärkerer Strömung über den Kanal und braucht im Vergleich zu einem Fährschiff weniger Energie. Seit März 2022 sind beide Wahrzeichen der Stadt – Rendsburger Hochbrücke und Schwebefähre – nun wieder als Einheit für den „fließenden“ Verkehr in der Region geöffnet. „Wir sind stolz darauf, dass wir bei dem Projekt „Schwebefähre 2.0“ mitgewirkt haben, um der Stadt ein Stück ihrer Geschichte zurückzugeben – authentisch wie das Original, aber mit einer technischen Ausstattung wie es sich für den Verkehr von heute und morgen gehört“, resümiert Dries. Derweil plant die Kommune das nächste Kapitel des „neuen“ Wahrzeichens aufzuschlagen: Sie soll zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt werden.